Außergesetzliche Standards – ISO 19 600

qanuun-aktuell April 2015

von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune

Standards (Bsp. lege artis oder Stand der Technik) prägen unsere globalisierte Welt und finden sich inzwischen in fast allen Regelungsbereichen. Meistens delegiert der Gesetzgeber seine Regelungskompetenz für die Definition dieser (dynamischen) Standards auf die Exekutive oder (indirekt) auf privatrechtlich organisierte Institutionen (Bsp. DIN, ISO). Ihre Einhaltung ist entscheidend für Haftungsfragen und Verantwortlichkeiten.


Demzufolge wurde von Compliance-Verantwortlichen die Forderung erhoben, zur Einrichtung eines ComplianceManagement-Systems (CMS) müsse es einen anerkannten Standard geben, um im Ernstfall eine Indizwirkung für eine Haftungsreduktion bzw. -freistellung entfalten zu können. Große Durchschlagskraft in der Praxis hat bislang der 2011 vom Institut der Wirtschaftsprüfer formulierte IDW PS 980, der eine Zertifizierung ermöglicht, obgleich er – bislang – nicht als ein vom Gesetzgeber oder der Rechtsprechung anerkannter Standard gelten kann.


Ende 2014 ist mit der ISO 19 600 ein eigener, weltweit gültiger Leitfaden formuliert worden, der methodisch und inhaltlich nahe beim IDW PS 980 liegt. Der ISO 19 600 formuliert keine Mindestanforderungen, ist damit keine Zertifizierungsgrundlage und inhaltlich auch nicht abschließend, denn ergänzend soll bis zum Jahr 2016 eine ISONorm 37001 mit Mindestanforderungen im Bereich der Korruptionsbekämpfung veröffentlicht werden. Auch wenn es für diese „Mehrspurigkeit“ politisch gute Gründe geben mag, hilfreich ist sie für die Compliance-Verantwortlichen jedenfalls nicht.


Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e.V. In jeder Ausgabe des Infobriefs qanuun-aktuell kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention.


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