qanuun-aktuell August 2014
von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune
Die öffentliche Aufmerksamkeit, die der Siemens-Konzern im Zusammenhang mit seinen sog. „schwarzen Kassen“ genossen hatte, war sehr nachhaltig: Der Konzern selbst hat sich des Themas derart tiefgreifend angenommen hat, dass sein Compliance-Management-System (CMS) inzwischen international als vorbildlich gilt. Die interessierte Öffentlichkeit durfte über die Sanktionen, welche die Korruptionsaffäre zur Folge hatte, staunen. So hat das LG München in seinem Urteil vom 10.12.2013 (5 HKO 1387/10), das dem Konzern einen Schadensersatzanspruch gegen ein früheres Vorstandsmitglied in Höhe von 15 Mio. Euro zuerkannt hat, die Pflichten des Vorstandes einer AG deutlich präzisiert: Ein Vorstand genügt seiner Organisationspflicht nach Auffassung des Gerichts „nur dann, wenn er eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einrichtet“ und sicherstellt, dass sie funktioniert.
Trotz umfangreicher Fachliteratur und trotz des Corporate Governance Kodex – in dieser Deutlichkeit hatte bislang kein deutsches Gericht geurteilt. Das Urteil ist dabei Maßstab für alle juristische Personen des Privatrechts und damit auch für alle Unternehmen der öffentlichen Hand. Die ausdrückliche Verpflichtung des (Gesamt-)Vorstandes die Angemessenheit und Wirksamkeit eines CMS kontinuierlich zu prüfen und dabei strenge Sorgfaltsmaßstäbe anzulegen, um umfangreichen Haftungsansprüchen bei Rechtsverletzungen im Unternehmen – selbst bei leichter Fahrlässigkeit – gem. § 93 Abs. 2 AktG vorzubeugen, erhöht die Dringlichkeit, sich des Themas Rechts- und Regeltreue anzunehmen deutlich, denn es ist zu erwarten, dass die Entscheidung des LG München keine Einzelentscheidung bleiben wird.
Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e.V. In jeder Ausgabe des Infobriefs qanuun-aktuell kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention.