Scherbengericht

qanuun-aktuell Oktober 2016

von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune

Durfte in der Antike noch die Volksversammlung darüber zu entscheiden, wer als unliebsame Person das Gemeinwesen zu verlassen hatte, kommt diese Aufgabe heute der Justiz, genauer den Gerichten zu, die ihre Urteile allerdings nicht mehr auf Tonscherben schreiben. Aus Erfahrung weiß man jedoch, dass es nicht damit getan ist, Mitarbeiter, die ihr Eigeninteresse vor das Gemeinwohl gestellt und die Hand aufgehalten haben, aus dem Dienst zu entfernen.


Für Außenstehende hat die eine oder andere Kriminalgeschichte, die auf dem BER oder in der einen oder anderen Behörde ganz realistisch daherkommt – Geld gegen Auftrag –, neben dem Aufregungsfaktor auch einen gewissen „Unterhaltungswert“. Für die früheren Kollegen und Vorgesetzte geht letzterer gegen Null.


Sie müssen erkennen, dass sie sich in einem Menschen getäuscht haben, enttäuscht wurden. Stellt sich dann noch heraus, dass der Kollege kein Einzelfall war, bleiben die anderen verunsichert, misstrauisch und wütend zurück. Wäre das nicht zu verhindern gewesen? Die Gerichte räumen mit ihren Urteilen dann erst einmal öffentlichkeitswirksam auf, doch die eigentliche Arbeit der Schadensbegrenzung, der Rückgewinnung verlorener Reputation und der Neubegründung von Vertrauensverhältnissen fängt dann erst an. Scherben müssen zusammengekehrt und mit viel Kommunikation intern wieder ein Miteinander ein Zusammengehörigkeitsgefühl aufgebaut werden. Das geht weder digital noch schnell, sondern nur in mühevoller Kleinstarbeit. Vorgesetzte und Behördenleiter wissen, wovon ich spreche, und wünschen sich, dass es ihr „Haus“ nie erwischen möge.


Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e.V. In jeder Ausgabe des Infobriefs qanuun-aktuell kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention.


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