qanuun-aktuell November 2019
von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune
Wahlen und ihre Ergebnisse lösen meistens gegensätzliche Gefühle aus, selten wirklich positive. Gewinner erscheinen oft zu selbstgewiss, andere behaupten Gewinner zu sein, obwohl die Wählerstimmen etwas anderes erkennen lassen, und Verlierer suchen die Schuld für ihre Misere bei anderen. Kurzum, Schuld hat das „undankbare“ Wahlvolk, auch wenn man das nicht so offen sagen möchte. Monatelang haben die Parteien es von allen Seiten abwechselnd aufgepeitscht, umgarnt, umworben und recht unterschiedlich informiert und dann das! Wahlkämpfe sind nicht vergnügungssteuerpflichtig. Sie sind laut, hitzig, aggressiv und anstrengend. Am Ende steht ein Wahlakt, dem man sich als Kandidat*in ausgeliefert fühlt.
Nach jeder Wahl stelle ich mir dieselbe Frage: Muss das so sein? Mir fällt das biblische Gleichnis vom Balken und Splitter ein. Um die Aufmerksamkeit der Medien und des Wahlvolkes zu erlangen, scheint kein Vorwurf zu bösartig, kein Populismus untauglich und die Scheinheiligkeit, die man anderen mit voller Wucht entgegenschleudert, trifft den Kern des eigenen Selbst. Gemäßigte Stimmen bleiben ungehört und sachliche Argumente scheinen an Bedeutung zu verlieren. Und dann wundern wir uns über Wahlergebnisse, die stabile Mehrheiten als fast unmöglich erscheinen lassen?
Vorwürfe und Behauptungen der fachlichen Inkompetenz, der moralischen Verwerflichkeit und charakterlichen Schwäche sind gefährliche Waffen und es ist höchste Zeit, dass sie auch als solche erkannt und geahndet werden, gesellschaftlich wie juristisch. Leider gibt es dafür noch keinen Waffenschein. Ich würde es mir wünschen.
Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e.V. In jeder Ausgabe des Infobriefs qanuun-aktuell kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention.