qanuun-aktuell Mai 2018
von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune
Als vor ein paar Jahren die Diskussion um die ethische und rechtliche Behandlung des autonomen Fahrens im Sinne einer ausschließlich computergesteuerten Fahrzeugführung begann, ahnte man zwar, dass das Feld ein weites sein könnte, war aber davon überzeugt, dass es ferne Zukunft sei. Heute weiß man es besser. Die Digitalisierung verändert nicht nur rasant die Arbeitswelt, sondern stellt den Menschen vor allem vor ethische Fragen.
Juristen müssen erkennen, dass sich ihr Arbeitsgebiet deutlich ändert, wenn eine verstärkte automatisierte Rechtsberatung und Rechtsprechung einsetzt. Dabei wird es nicht nur um alltägliche Massengeschäfte gehen, wie die Prüfung und Durchsetzung von Fluggastrechten über Internetportale, sondern auch um die technische Möglichkeit von sich selbst durchsetzenden Verträgen, sog. smart contracts. Die Geldkarte, die von dem Geldautomaten nicht mehr zurückgegeben wird, wenn der Dispokredit überzogen wurde, oder der Zigarettenerwerb am Automaten nach elektronischer Alterskontrolle, sind bekannte Beispiele. Sie lassen sich in vielen Varianten fortsetzen, wie gesperrte elektronische Schlüssel oder verweigerte Leistungen im Falle nicht gezahlter Gebühren etc.
Letztendlich ließe sich in allen Lebensbereichen ein Wohlverhalten des Menschen erzwingen. Er könnte sich nicht gegen Compliance entscheiden. Man müsste alle Situationen theoretisch antizipieren, und sie auf ein binäres System transferieren. Dann wären nicht nur die Grundrechte obsolet, sondern der Mensch ein Opfer seiner eigenen Perfektion. Das ist unrealistisch? Sind Sie sicher? Ich bin es nicht, leider überhaupt nicht. Ganz abgesehen davon, dass es dann zum Thema Compliance nichts mehr zu raten gäbe.
Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e.V. In jeder Ausgabe des Infobriefs qanuun-aktuell kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention.